XVIII Und es war die Zeit des Vollmonds, In der Nacht vor Sankt Johannis, Wo der Spuk der Wilden Jagd Umzieht durch den Geisterhohlweg. Aus dem Fenster von Urakas Hexennest konnt ich vortrefflich Das Gespensterheer betrachten, Wie es durch die Gasse hinzog.
Hatte einen guten Platz, Den Spektakel anzuschauen ; Ich genoß den vollen Anblick Grabentstiegner Totenfreude.
Peitschenknall, Hallo und Hussa ! Roßgewieh'r, Gebell von Hunden ! Jagdhorntöne und Gelächter ! Wie das jauchzend widerhallte !
Lief voraus, gleichsam als Vortrab, Abenteuerliches Hochwild, Hirsch' und Säue, rudelweis ; Hetzend hinterdrein die Meute.
Jäger aus verschiednen Zonen Und aus gar verschiednen Zeiten ; Neben Nimrod von Assyrien Ritt zum Beispiel Karl der Zehnte.
Hoch auf weißen Rossen sausten Sie dahin. Zu Fuße folgten Die Pikeure mit der Koppel Und die Pagen mit den Fackeln.
Mancher in dem wüsten Zuge Schien mir wohlbekannt - der Ritter, Der in goldner Rüstung glänzte, War es nicht der König Artus ?
Und Herr Ogier, der Däne, Trug er nicht den schillernd grünen Ringenpanzer, daß er aussah Wie ein großer Wetterfrosch ?
Auch der Helden des Gedankens Sah ich manchen in dem Zuge. Ich erkannte unsern Wolfgang An dem heitern Glanz der Augen -
Denn, verdammt von Hengstenberg, Kann er nicht im Grabe ruhen, Und mit heidnischem Gelichter Setzt er fort des Lebens Jagdlust.
An des Mundes holdem Lächeln Hab ich auch erkannt den William, Den die Puritaner gleichfalls Einst verflucht; auch dieser Sünder
Muß das Wilde Heer begleiten Nachts auf einem schwarzen Rappen. Neben ihm, auf einem Esel, Ritt ein Mensch - Und, heil'ger Himmel !
An der matten Betermiene, An der frommen weißen Schlafmütz, An der Seelenangst, erkannt ich Unsern alten Freund Franz Horn !
Weil er einst das Weltkind Shakespeare Kommentiert, muß jetzt der Ärmste Nach dem Tode mit ihm reiten Im Tumult der Wilden Jagd !
Ach, mein stiller Franz muß reiten, Er, der kaum gewagt zu gehen, Er, der nur im Teegeschwätze Und im Beten sich bewegte !
Werden nicht die alten Jungfern, Die gehätschelt seine Ruhe, Sich entsetzen, wenn sie hören, Daß der Franz ein Wilder Jäger !
Wenn es manchmal im Galopp geht, Schaut der große William spöttisch Auf den armen Kommentator, Der im Eselstrab ihm nachfolgt,
Ganz ohnmächtig, fest sich krampend An den Sattelknopf des Grauchens, Doch im Tode, wie im Leben, Seinem Autor treulich folgend.
Auch der Damen sah ich viele In dem tollen Geisterzuge, Ganz besonders schöne Nymphen, Schlanke, jugendliche Leiber.
Rittlings saßen sie zu Pferde, Mythologisch splitternackt ; Doch die Haare fielen lockicht Lang herab, wie goldne Mäntel.
Trugen Kränze auf den Häuptern, Und mit keck zurückgebognen, Übermüt'gen Posituren Schwangen sie belaubte Stäbe.
Neben ihnen sah ich ein'ge Zugeknöpfte Ritterfräulein, Schräg auf Damensätteln sitzend, Und den Falken auf der Faust.
Parodistisch hinterdrein, Auf Schindmähren, magern Kleppern, Ritt ein Troß von komödiantisch Aufgeputzten Weibspersonen,
Deren Antlitz reizend lieblich, Aber auch ein bißchen frech. Schrien, wie rasend, mit den vollen, Liederlich geschminkten Backen.
Wie das jubelnd widerhallte ! Jagdhorntöne und Gelächter ! Roßgewieh'r, Gebell von Hunden ! Peitschenknall, Hallo und Hussa !
XIX Aber als der Schönheit Kleeblatt Ragten in des Zuges Mitten Drei Gestalten - Nie vergeß ich Diese holden Frauenbilder. Leicht erkennbar war die eine An dem Halbmond auf dem Haupte ; Stolz, wie eine reine Bildsäul', Ritt einher die große Göttin.
Hochgeschürzte Tunika, Brust und Hüfte halb bedeckend. Fackellicht und Mondschein spielten Lüstern um die weißen Glieder.
Auch das Antlitz weiß wie Marmor, Und wie Marmor kalt. Entsetzlich War die Starrheit und die Blässe Dieser strengen edlen Züge.
Doch in ihrem schwarzen Auge Loderte ein grauenhaftes Und unheimlich süßes Feuer, Seelenblendend und verzehrend.
Wie verändert ist Diana, Die, im Übermut der Keuschheit, Einst den Aktäon verhirschte Und den Hunden preisgegeben !
Büßt sie jetzt für diese Sünde In galantester Gesellschaft ? Wie ein spukend armes Weltkind Fährt sie nächtlich durch die Lüfte.
Spät zwar, aber desto stärker Ist erwacht in ihr die Wollust, Und es brennt in ihren Augen Wie ein wahrer Höllenbrand.
Die verlorne Zeit bereut sie, Wo die Männer schöner waren, Und die Quantität ersetzt ihr Jetzt vielleicht die Qualität.
Neben ihr ritt eine Schöne, Deren Züge nicht so griechisch Streng gemessen, doch sie strahlten Von des Keltenstammes Anmut.
Dieses war die Fee Abunde, Die ich leicht erkennen konnte An der Süße ihres Lächelns Und am herzlich tollen Lachen !
Ein Gesicht, gesund und rosig, Wie gemalt von Meister Grenze, Mund in Herzform, stets geöffnet, Und entzückend weiße Zähne.
Trug ein flatternd blaues Nachtkleid, Das der Wind zu lüften suchte - Selbst in meinen besten Träumen Sah ich nimmer solche Schultern !
Wenig fehlte und ich sprang Aus dem Fenster, sie zu küssen ! Dieses wär mir schlecht bekommen, Denn den Hals hätt ich gebrochen.
Ach! sie hätte nur gelacht, Wenn ich unten in den Abgrund Blutend fiel zu ihren Füßen - Ach! ich kenne solches Lachen !
Und das dritte Frauenbild, Das dein Herz so tief bewegte, War es eine Teufelinne, Wie die andern zwo Gestalten ?
Ob's ein Teufel oder Engel, Weiß ich nicht. Genau bei Weibern Weiß man niemals, wo der Engel Aufhört und der Teufel anfängt.
Auf dem glutenkranken Antlitz Lag des Morgenlandes Zauber, Auch die Kleider mahnten kostbar An Scheherezadens Märchen.
Sanfte Lippen, wie Grenaten, Ein gebognes Liliennäschen, Und die Glieder schlank und kühlig Wie die Palme der Oase.
Lehnte hoch auf weißem Zelter, Dessen Goldzaum von zwei Mohren Ward geleitet, die zu Fuß An der Fürstin Seite trabten.
Wirklich eine Fürstin war sie, War Judäas Königin, Des Herodes schönes Weib, Die des Täufers Haupt begehrt hat.
Dieser Blutschuld halber ward sie Auch vermaledeit; als Nachtspuk Muß sie bis zum Jüngsten Tage Reiten mit der Wilden Jagd.
In den Händen trägt sie immer Jene Schüssel mit dem Haupte Des Johannes, und sie küßt es ; Ja, sie küßt das Haupt mit Inbrunst.
Denn sie liebte einst Johannem - In der Bibel steht es nicht, Doch im Volke lebt die Sage Von Herodias' blut'ger Liebe -
Anders wär ja unerklärlich Das Gelüste jener Dame - Wird ein Weib das Haupt begehren Eines Manns, den sie nicht liebt ?
War vielleicht ein bißchen böse Auf den Liebsten, ließ ihn köpfen ; Aber als sie auf der Schüssel Das geliebte Haupt erblickte,
Weinte sie und ward verrückt, Und sie starb in Liebeswahnsinn. (Liebeswahnsinn ! Pleonasmus ! Liebe ist ja schon ein Wahnsinn !)
Nächtlich auferstehend trägt sie, Wie gesagt, das blut'ge Haupt In der Hand, auf ihrer Jagdfahrt - Doch mit toller Weiberlaune
Schleudert sie das Haupt zuweilen Durch die Lüfte, kindisch lachend, Und sie fängt es sehr behende Wieder auf, wie einen Spielball.
Als sie mir vorüberritt, Schaute sie mich an und nickte So kokett zugleich und schmachtend, Daß mein tiefstes Herz erbebte.
Dreimal auf und nieder wogend Fuhr der Zug vorbei, und dreimal Im Vorüberreiten grüßte Mich das liebliche Gespenst.
Als der Zug bereits erblichen Und verklungen das Getümmel, Loderte mir im Gehirne Immerfort der holde Gruß.
Und die ganze Nacht hindurch Wälzte ich die müden Glieder Auf der Streu - (denn Federbetten Gab's nicht in Urakas Hütte) -
Und ich sann : Was mag bedeuten Das geheimnisvolle Nicken ? Warum hast du mich so zärtlich Angesehn, Herodias ?
XX Sonnenaufgang. Goldne Pfeile Schießen nach den weißen Nebeln, Die sich röten, wie verwundet, Und in Glanz und Licht zerrinnen. Endlich ist der Sieg erfochten, Und der Tag, der Triumphator, Tritt, in strahlend voller Glorie, Auf den Nacken des Gebirges.
Der Gevögel laute Sippschaft Zwitschert in verborgnen Nestern, Und ein Kräuterduft erhebt sich, Wie'n Konzert von Wohlgerüchen. -
In der ersten Morgenfrühe Waren wir ins Tal gestiegen, Und derweilen der Laskaro Seines Bären Spur verfolgte,
Suchte ich die Zeit zu töten Mit Gedanken. Doch das Denken Machte mich am Ende müde Und sogar ein bißchen traurig.
Endlich müd' und traurig sank ich Nieder auf die weiche Moosbank, Unter jener großen Esche, Wo die kleine Quelle floß,
Die mit wunderlichem Plätschern Also wunderlich betörte Mein Gemüt, daß die Gedanken Und das Denken mir vergingen.
Es ergriff mich wilde Sehnsucht Wie nach Traum und Tod und Wahnsinn, Und nach jenen Reiterinnen, Die ich sah im Geisterheerzug.
Oh, ihr holden Nachtgesichte, Die das Morgenrot verscheuchte, Sagt, wohin seid ihr entflohen ? Sagt, wo hauset ihr am Tage ?
Unter alten Tempeltrümmern, Irgendwo in der Romagna, (Also heißt es) birgt Diana Sich vor Christi Tagesherrschaft.
Nur in mitternächt'gem Dunkel Wagt sie es hervorzutreten, Und sie freut sich dann des Weidwerks Mit den heidnischen Gespielen.
Auch die schöne Fee Abunde Fürchtet sich vor Nazarenern, Und den Tag hindurch verweilt sie In dem sichern Avalun.
Dieses Eiland liegt verborgen Ferne, in dem stillen Meere Der Romantik, nur erreichbar Auf des Fabelrosses Flügeln.
Niemals ankere dort die Sorge, Niemals landet dort ein Dampfschiff Mit neugierigen Philistern, Tabakspfeifen in den Mäulern.
Niemals dringt dorthin das blöde Dumpf langweil'ge Glockenläuten, Jene trüben Bumm-Bamm-Klänge, Die den Feen so verhaßt.
Dort, in ungestörtem Frohsinn, Und in ew'ger Jugend blühend, Residiert die heitre Dame, Unsre blonde Frau Abunde.
Lachend geht sie dort spazieren Unter hohen Sonnenblumen, Mit dem kosenden Gefolge Weltentrückter Paladine.
Aber du, Herodias, Sag, wo bist du ? - Ach, ich weiß es, Du bist tot und liegst begraben Bei der Stadt Jeruscholayim !
Starren Leichenschlaf am Tage Schläfst du in dem Marmorsarge ! Doch um Mitternacht erweckt dich Peitschenknall, Hallo und Hussa !
Und du folgst dem wilden Heerzug Mit Dianen und Abunden, Mit den heitern Jagdgenossen, Denen Kreuz und Qual verhaßt ist !
Welche köstliche Gesellschaft ! Könnt ich nächtlich mit euch jagen Durch die Wälder ! Dir zur Seite Ritt' ich stets, Herodias !
Denn ich liebe dich am meisten ! Mehr als jene Griechengöttin, Mehr als jene Fee des Nordens, Lieb ich dich, du tote Jüdin !
Ja, ich liebe dich ! Ich merk es An dem Zittern meiner Seele. Liebe mich und sei mein Liebchen, Schönes Weib, Herodias !
Liebe mich und sei mein Liebchen ! Schleudre fort den blut'gen Dummkopf Samt der Schüssel, und genieße Schmackhaft bessere Gerichte.
Bin so recht der rechte Ritter, Den du brauchst - Mich kümmert's wenig, Daß du tot und gar verdammt bist - Habe keine Vorurteile -
Hapert's doch mit meiner eignen Seligkeit, und ob ich selber Noch dem Leben angehöre, Daran zweifle ich zuweilen !
Nimm mich an als deinen Ritter, Deinen Cavalier servente ; Werde deinen Mantel tragen Und auch alle deine Launen.
Jede Nacht, an deiner Seite, Reit ich mit dem wilden Heere, Und wir kosen und wir lachen Über meine tollen Reden.
Werde dir die Zeit verkürzen In der Nacht - Jedoch am Tage Schwindet jede Lust, und weinend Sitz ich dann auf deinem Grabe.
Ja, am Tage sitz ich weinend Auf dem Schutt der Königsgrüfte, Auf dem Grabe der Geliebten, Bei der Stadt Jeruscholayim.
Alte Juden, die vorbeigehn, Glauben dann gewiß, ich traure Ob dem Untergang des Tempels Und der Stadt Jeruscholayim.
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